Reaktionen auf den Mord

Der grausame Mord an der Apothekerin Marwa El-Sherbini am 1 Juli. 2009 im Dresdner Landesgericht führte zu Entsetzen, Unsicherheit und Angst, insbesondere unter den Muslimen in Deutschland. Ursache dafür war nicht nur die Tat an sich, sondern die fehlende bzw. sehr spärliche Berichterstattung zum antimuslimischen Motiv und die mangelnde Teilhabe in der Öffentlichkeit und der Regierung.

Zunächst wurde die Tat lediglich als tragischer Mord im Gerichtssaal erwähnt. Ebenso wurde über Fremdenhass sowie die Sicherheitslage in deutschen Gerichtsgebäuden diskutiert. Auf die Ursache und die durch die Ermordung erreichte Dimension des antimuslimischen Rassismus wurde jedoch nicht eingegangen, obwohl im Gerichtsverfahren berichtet wurde, dass der Mörder sein Opfer, das ein Kopftuch trug, als Islamistin und Terroristin beschimpfte. Das klare antimuslimische Motiv der Tat war zu lange kein relevantes Thema der Berichterstattung und auch keine Grundlage für Empörung und Teilhabe. Vereinzelt wurde der Mord an Marwa el Sherbini aber auch zum Anlass genommen, um den Umgang mit der muslimischen Community in Deutschland kritisch zu reflektieren.

 

Zitate

Claudia Dantschke, Islamismus-Expertin des Zentrums Demokratische Kultur im Interview beim Netz-gegen-Nazis.de - http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/mord-marwa-el-sherbini-wo-bleiben...

„Was in diesem Fall passiert, ist eine klassische rassistische Hackordnung: Er sucht sich jemand, der scheinbar in der Anerkennung noch unter ihm steht: eine muslimische Frau. Er verfolgt die Debatten in Deutschland, merkt, dass er mit Islamfeindschaft an Meinungen in der Mehrheitsgesellschaft andocken kann. Dann sucht er sich ein Opfer und muss überrascht feststellen: Sie wehrt sich, ist intelligenter, gebildeter und steht sozial höher als er. Daraus entsteht der Hass. Er hat eine Rassismus-Grundierung, aber darauf kommt die explizite Islamfeindschaft, die er auch in der deutschen Gesellschaft als mehrheitsfähig zu erkennen meint."

 

Stephan J. Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland - http://www.zentralratdjuden.de/de/article/2537.im-zeichen-der-solidarit%...

„Der Mord an Marwa al-Sherbini ist das Ergebnis der beinahe ungehinderten Hasspropaganda gegen Muslime von den extremistischen Rändern der Gesellschaft bis hin in deren Mitte“

 

Stellungnahme des Interkulturellen Rat in Deutschland e.V. - http://www.interkultureller-rat.de/wp-content/uploads/PM-Dresden-060709.pdf

„Die Tötung von Marwa E. ist ein trauriger Anlass um die Islamfeindlichkeit in Deutschland zu thematisieren. Dringend ist dabei auch eine kritische Auseinandersetzung mit antimuslimischen Blogs im Internet. In vielen Einträgen dieser Blogs finden sich hasserfüllte und menschenverachtende Aussagen, die mit unserer Verfassung nicht zu vereinbaren sind.“

 

Christian Rogler - Deutsch Türkisches Journal - http://dtj-online.de/ein-kopftuch-weniger-als-aus-dem-hass-mord-wurde-2537

„ „Ein Kopftuch weniger…“ – Als aus dem Hass Mord wurde. Noch vor der Entdeckung des NSU, vor Breivik und vor Sarrazin ließ der Mord an Marwa El-Sherbini im Dresdner Landgericht erstmals das islamfeindliche Hass- und Gewaltpotenzial erahnen."

 

Anja Seeliger -The Guardian - http://www.theguardian.com/commentisfree/2009/jul/10/germany-murder-marw...

„A murder that Germany ignored. Egyptian protests over the murder of Marwa al-Sherbini have shocked Germany – but not driven home its true significance.”

 

Karim El-Ghawhary http://www.taz.de/!37252/

“Wann immer es einen Anschlag muslimischer Fanatiker gab, wurden die deutschen Politiker nicht müde, Deutschlands Muslime aufzufordern, Stellung zu beziehen, um den Generalverdacht von sich abzuwenden. Nun stehen die Deutschen zumindest in Ägypten unter dem Generalverdacht der Islamophobie. Wo waren in der vergangegen Woche die Stimmen in Deutschland, die den Anschlag im Gericht verurteilen? Sie waren nicht zu hören.”

 

Hilal Sezginhttp://www.taz.de/!37854/

„Es reagierte Stephan Kramer vom Zentralrat der Juden in Deutschland und reiste zum Ehemann der Ermordeten nach Dresden. Es schwiegen Vertreter der Kirchen und Innenminister Schäuble, Erfinder der Deutschen Islam Konferenz. Maria Böhmer, als Integrationsbeauftragte offenbar für die deutschen Muslime zuständig, kondolierte. Unser aller Bundeskanzlerin Merkel sprach mit dem ägyptischen Botschafter, aber nicht zur deutschen Öffentlichkeit. Das "plötzliche Ausrasten" in einem "ganz normalen Beleidigungsprozess" wurde breit gemeldet, doch der politische Hintergrund der Tat ließ SZ, FAZ und "Tagesthemen" anderthalb Wochen lang, den Spiegel zweieinhalb Wochen und "Kulturzeit" bis heute kalt.“